„Geistiges Eigentum“ – Sinn des Urheberrechtes und staatlich garantierter Monopolrechte

"Geistiges Eigentum" und die Frage nach dem Sinn des Urheberrechtes ist ein verdammt schwieriges Thema - ich will trotzdem versuchen, es hier in einfachen Begriffen und Beispielen konstruktiv zu beleuchten, und dabei die fälschlicherweise einfach scheinenden Schwarz-Weiß-Lösungen zu vermeiden.

Emotionalen Ballast loslassen

Die Schwierigkeiten, denen wir uns stellen müssen, fangen schon damit an, dass der Begriff "Geistiges Eigentum" irreführend ist.

"Eigentum" enthält nämlich die Implikation, dass dir etwas weggenommen werden kann, das du danach nicht mehr hast, was bei kopierbaren Werken nicht der Fall ist.

Um das Risiko von Emotionalisierung zu verringern, ist es sinnvoller, Urheberrechte als das zu benennen, was sie sind, nämlich staatlich garantierte Monopolrechte: Ohne deine Erlaubnis, darf niemand anderes die von dir geschaffenen Werke besitzen - unabhängig davon, was mit deiner eigenen Version passiert.

Dann ist es nämlich leichter mit weniger emotionalem Ballast danach zu fragen, warum es geistige Monopolrechte gibt, und zwar mit Zielen und Wegen zum Ziel. Ein Versuch:

Ziele

  • Gesellschaft: Möglichst breites kulturelles Wissen der Bürger (kulturelle Teilhabe).
  • Kreative: Geld verdienen und ihre eigenen Werke verbreiten.
  • Bürger/Kunden: Zugriff auf möglichst viele Werke haben, die ihnen gefallen.

Das Ziel des einzelnen Kreativen alleine ließe sich erfüllen, indem alle Bürger ihm all ihr Geld geben müssen und dafür seine Werke nutzen dürfen.

Das Ziel eines Bürgers alleine ließe sich erfüllen, indem wir alle Kreativen versklaven und zwingen, bei Wasser und Brot immer neue Werke zu schaffen.

Wenn wir aber die Ziele vereinen wollen (gesellschaftlicher Kompromiss), müssen wir eine andere Möglichkeit wählen.

Die aktuell gewählte Möglichkeit ist, dass der Staat den Kreativ Tätigen mit dem Urheberrecht eine rechtliche Kontrolle über die Waren der Bürger erlaubt (ich darf ein Buch nicht kopieren, obwohl ich es als physikalisches Werk von dir gekauft habe => Monopolrecht).

Wie weit diese Rechte gehen sollen, muss aber immer wieder daran geprüft werden, was gesellschaftlich sinnvoll ist, denn es ist eben kein natürliches Recht, sondern ein vom Staat für einen bestimmten Zweck geschaffenes Gesetz.

Das Ziel, an dem ich selbst die Gesetze messe ist:

Möglichst viele für Bürger zugängliche kreative Werke, die auf die Bürger zugeschnitten sind.

Dafür müssen die Kreativen Geld bekommen und die Bürger müssen die Werke nutzen können, und irgendwie müssen die Werke von Kreativen zu den anderen Bürgern kommen.

Wege zu den Zielen

  • Ein System mit reichen Patronen wie bei Mozart, Bach, etc. erreicht das nicht. Dadurch entstehen nur die Werke, die den Patronen gefallen. Außerdem kommt nur eine kleine Minderheit in den Genuss der Werke (z.B: Oper).
  • Ein System, in dem Künstler volle Kontrolle über ihre Werke haben, und jeder ihnen Geld geben muss, wenn er sie nutzt (hartes Urheberrecht ohne Fair Use / Schrankenregeln) ist äquivalent, denn es sorgt dafür, dass Werke geschaffen werden die für die passend sind, die sich die Werke leisten können, und dass ein Großteil der Bürger keinen Zugriff auf die Werke hat.
  • Ein System, in dem Künstler einfach für Schöpfungen Geld bekommen, egal was sie schaffen (und dafür keine Rechte über ihre Werke haben, also kein weiteres Geld verdienen können). Dadurch entstehen Werke, die den Kreativen gefallen oder möglichst schnell zu schaffen sind, aber keine auf die Bürger zugeschnittenen Werke. Effektiv hat dann jeder Zugriff auf Kunst, aber nicht auf genug Kunst, die ihm gefällt (es gibt keinen Ansporn Kunst zu schaffen, die gefällt).
  • Ein Mischsystem dagegen, in dem Künstler vom Staat eine gewisse Kontrolle über ihre Werke zugestanden bekommen (Urheberrecht), so dass sie mit der Verbreitung ihrer Werke Geld verdienen können, in der aber Leute, die sich die Werke nicht leisten können, trotzdem Möglichkeiten haben, an die Werke zu kommen (Fair Use / Schrankenregeln), verbindet beides.
  • Ähnliches gilt für ein System, bei dem nur die Fans von Werken für die Werke zahlen, um direkt die Künstler zu unterstützen, und die Künstler zusätzlich von der Gesellschaft unterstützt werden, wenn ihre Werke genutzt werden. Auf beide Arten erhalten Werke ihre größtmögliche Verbreitung und die Kreativen erhalten Geld von denen, die sich die Werke leisten können oder die Kreativen unterstützen wollen.

Wie genau dabei das Gleichgewicht von Urheberrechten und Nutzerrechten ist, muss aber immer wieder an die gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasst werden.

Früher

Vor den Zeiten des Internet waren die Kosten, um ein Werk an den Kunden zu bekommen, viel höher als heute. Wenn jemand ein Buch geklaut hat, hatte dadurch jemand anders weniger Geld, und alleine die Produktion der physischen Trägermedien hat so viel gekostet, dass vom normalen Budget eines Bürgers nur eine gewisse Menge an Werken finanzierbar war. Wenn dann jemand ein Buch ausgeliehen hat, war gleich viel Geld weg, und die meisten Leute haben sich nur besorgt, was sie wirklich wollten.

D.h. deine Kunden waren meist auch deine Fans, denn für andere Leute hat es sich nicht gelohnt, den Bezugsweg zusätzlich zu bezahlen.

Die heutige Situation

Heute dagegen sind diese Kosten massiv gesunken. Alles was sich digital verteilen lässt, kann fast kostenlos verbreitet werden, so dass die Anzahl der Werke, die sich pro Monat von einem normalen Einkommen genießen lassen, fast nur noch von der Aufnahmefähigkeit (=Lesegeschwindigkeit, Hörgeschwindigkeit, ...) abhängt1. Daher besorgen sich Leute jetzt auch viel eher mal was, um es einfach mal anzutesten, und es ist technisch möglich, allen Zugriff auf so viele kulturelle Güter zu geben, wie sie verarbeiten können.

Entsprechend ist das System "jeder Nutzer muss so viel zahlen, dass der Künstler davon leben könnte, wenn der Großteil seiner Fans das Werk zu diesem Preis kaufen würde" nicht mehr aktuell, denn der Kreis der Konsumenten ist viel größer geworden als der Kreis der Fans.

Moderne Kulturförderung

  • Eine Möglichkeit für eine den heutigen Möglichkeiten angepasste Kulturförderung ist es daher zu sagen, dass das Urheberrecht als zentrale Einkommensquelle der Kreativen etwas zurückgefahren wird und dafür allgemeine Vergütungen und das Recht auf Privatkopien verstärkt werden, mit denen dem Rechnung getragen wird, dass heute Leute viel einfacher einen breiten Überblick über verschiedenste Werke erhalten können. Fans kaufen dann die Werke (weil sie sie besitzen wollen - am besten mit persönlicher Widmung), Konsumenten holen sie sich und zahlen durch die allgemeine Abgabe dafür.
  • Eine andere Möglichkeit ist zu sagen, dass die Einzelpreise massiv heruntergefahren werden, aber für jede Nutzung gezahlt werden muss (so dass zwischen Fans und beiläufigen Konsumenten unterschieden wird). Optional könnte zwischen beiläufigem Lesen und begeistertem Lesen unterschieden werden, z.B. über den Verkauf von Sachen, die nur Fans gefallen, oder über die direkte Analyse des Konsumverhaltens: "Ihren Körpersignalen nach hat ihnen dieses Buch sehr viel Freude bereitet, daher buchen wir entsprechend unserem Begeisterungstarif 20€ ab". Dafür müssen allerdings alle Handlungen der Konsumierenden streng überwacht und kontrolliert werden.

Das Zitat zeigt auch gleich, warum ich stark für den ersten Ansatz bin: Einzelnutzungsabrechungen sind ein massiver Eingriff in die Privatsphäre (niemand muss wissen, wann ich Subway to Sally höre). Und da Fans ein starkes Interesse daran haben, dass ihre Lieblingskünstler weiterhin neues schaffen, haben sie auch ein Interesse daran, dass die Künstler genug Geld verdienen, um davon ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, so dass die absolute Kontrolle, die für den zweiten Ansatz nötig ist (auch wenn es nicht unbedingt bis zur Messung der unterbewussten Körpersignale gehen muss :) ) keinen relevanten zusätzlichen Nutzen bringen, dafür aber viel Schaden anrichten würde.

Und durch die heutige Vernetzung und immer einfachere Möglichkeiten, kleine Beträge mit wenig Aufwand zu bezahlen, können wir von der technischen Seite her Kreative und Fans so stark vernetzen, dass die Kreativen davon leben können, dass ihre Fans wollen, dass sie weitermachen. Dafür ist es nötig, dass immer mehr Fans sich dieser Rolle bewusst werden. Das ist dann allerdings ein sozialer Aspekt, den am Besten die Künstler selbst angehen können.

Für viele Künstler wird wohl die Kontrolle über ihre Werke noch lange ein wichtiger Teil ihres Einkommens sein - sie muss aber nicht der einzige sein, und sie muss nicht den gleichen Stellenwert behalten, den sie heute hat. Gewisse Monopolrechte über die selbstgeschaffenen Werke zu haben ist ein Vorrecht, das hilft, allen Bürgern eine Höchstmenge an positiven kulturellen Erfahrungen zu ermöglichen. Solange die Monopolrechte dieses Ziel erfüllen, sind sie sinnvoll.

Wie freie Software zeigt, können diese Vorrechte dabei auch genutzt werden, um bestimmte soziale Rechte abzusichern (das ist es, wofür ich sie aktuell hauptsächlich nutze) und so eine von den jeweiligen Kreativen geteilte Gesellschaftsvision zu fördern, z.B. eine Gesellschaft, in der die geschaffenen Werke jedem direkt zugänglich sind und von jedem verändert werden können (was ich als Kind gelernt habe, will ich meinen Kindern und ihren Freunden beibringen dürfen), und in der Künstler trotzdem von ihrem Schaffen (gut) leben können.

...

Ich hoffe, ich habe dich jetzt gerade nicht völlig verschreckt :)

Ich mache mir viele Gedanken über das Thema und die gesellschaftlichen Auswirkungen des Urheberrechts, und entsprechend gehört für mich zu dem Thema v.a. ein Blick auf die Hintergründe, warum und unter welchen Umständen das Urheberrecht gesellschaftlich sinnvoll ist.

Und jetzt siehst du auch nochmal, warum ich meine Kommentare ab einer bestimmten Länge auch auf meine eigene Webseite übernehme: Sie nehmen zu gerne mal Artikellänge an ;)

Diesen hier habe ich in einer Diskussion zur GEZ bei PiHalbe geschrieben.

Update: Durch Flattr und Patreon ist heute eine extrem einfache Förderung von freien Künstlern möglich, ohne dass dafür die Plattenfirmen etwas dazulernen müssen. Es müssen sich nur Fans und Kunstschaffende entscheiden, Flattr zu nutzen. Und viele tun das bereits. Ein großes Beispiel ist die taz: Eine überregionale, unabhängige Tageszeitung.


  1. Bei Büchern sind die Kosten pro Stunde Lesezeit bereits so niedrig und die Verbreitung des Lesens so groß, dass schon jetzt bei den meisten Leuten die begrenzte Ressource die Lesezeit ist. Solange es für Viel-Leser und wenig Verdienende die Bibliotheken gibt (oder andere Wege, Bücher kostenlos zu erhalten), würde eine Reduzierung des Preises weder den Kreativen noch der Mehrzahl der Lesenden helfen. Hintergrund: Wieviel sollte ein Buch kosten

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