(Kommentare in einer Diskussion zu den RedTube-Abmahnungen gegen Streaming-Nutzer [1])
Es ist egal, ob du streamst oder Tauschbörsen nutzt: Illegal herunterzuladen ist für Gerichte halt erstmal illegal (egal wie falsch ich es finde, dass es illegal ist) - ich kenne die ganzen Argumente mit Logik und gesundem Menschenverstand. Nach Logik und gesundem Menschenverstand kannst du auch niemanden haftbar machen, wenn mehrere Leute den gleichen WLAN nutzen. Ist aber egal: Nennt sich Störerhaftung. Will heißen: Logik ist wertlos, es gilt nur, was die Richter am Ende entscheiden. Und beim Streamen ist auch noch an einer zentralen Stelle bekannt, was du geschaut hast.
Dass bei modernen Tauschbörsen automatisch weitergegeben wird, hat dabei keine Relevanz: Du gibst weiter, während du runterlädst, bist aber nicht die Quelle. Damit funktionierst du wie ein transparenter Proxy - und die sind legal (die meisten Unis haben so einen, um die verbrauchte Bandbreite zu reduzieren - deswegen müssen manche Webseiten oder Dateien zweimal geladen werden, um aktuell zu sein).
Das ist also wieder nur ein irrelevantes Implementierungsdetail, das die Bandbreitenkosten des Anbieters reduziert. Klar kann man deswegen abmahnen - aber eben nur weil Richter was Tauschbörsen angeht großteils immernoch ahnungslos sind. Sonst würden sie auch über Screenshots lachen - genau wie über jegliche anderen „Beweise“, die von Computern produziert werden…
Die einzigen, die wirklich etwas anderes tun als reine Downloader sind diejenigen, die aktiv fertig heruntergeladene Dateien anbieten (früher wurden die mal als Uploader bezeichnet). Eigentlich sogar nur, wenn sie die Dateien vorher geprüft haben (ansonsten laden sie nämlich immernoch nur etwas hoch, von dem sie nicht wissen können, was es ist - arbeiten also als transparente Proxies).
Zwischen dem was wir sagen gibt es einen großen Unterschied: Ich sage, dass das sharen von unvollständigen Dateien bei modernem p2p keine Relevanz hat, weil es dich nicht zu einem Anbieter macht, sondern zu einem Proxy.
Bei Youtube gibt es die Trennung „Uploader“ (lädt Videos hoch), „Anbieter“ (Zeigt dir Videos und gibt dir die Daten; Youtube selbst), „Proxy“ (Zwischenspeicher für Daten; lässt dein ISP laufen, um seine Bandbreite nach außen zu reduzieren, siehst du nicht, ist aber da) und „Konsument“ (Lädt Videos herunter - es gibt technisch gesehen keinen Unterschied zwischen Stream und Download, nur die AGBs von Youtube sagen, dass du letzteres nicht darfst, und deren Gültigkeit ist sehr zweifelhaft).
Bei z.B. Gnutella gibt es die Trennung „Sharer“ (bietet Dateien an), „Ultrapeer“ (leitet deine Suchanfragen weiter, so dass du die Sharer finden kannst), „Downloader“ (lädt Dateien herunter und lässt andere Teile von unvollständigen Dateien herunterladen).
Bei BitTorrent gibt es „Torrent-Ersteller“ (erzeugen die BitTorren-Datei), „Torrent-Server“ (Koordinieren das Herunterladen, bieten selbst nichts an), „Seeder“ (Bieten vollständige Dateien an) und „Leacher“ (Laden Dateien herunter und lassen andere Teile von unvollständigen Dateien herunterladen).
„Downloader“ und „Leacher“ haben hier die Rolle von Youtube-„Konsumenten“ + „Proxies“.
Wenn bei Gnutella kein Sharer existiert oder bei BitTorrent weder Torrent-Server noch Seeder (für das dezentrale Protokoll), dann kann die Datei nicht heruntergeladen werden.
Zusätzlich gibt es bei allen Systemen noch Router dazwischen, die Daten weiterleiten (aber nur prüfen, ob sie beschädigt sind, nicht was drin ist).
Grundlegend müssen wir, um das wirklich zu klären, erst auf den Sinn des Urheberrechtes eingehen, um dann zu klären, welche Regelungen gesellschaftlich sinnvoll sind. Denn im Gegensatz zu physischem Eigentum lassen sich Verwertungsrechte nicht aus einem irgendwie gearteten Naturrecht herleiten: Sie sind ein Werkzeug zur Kulturförderung, und als solches müssen sie an ihrem Nutzen für die Gesellschaft gemessen werden. Ist es wirklich ein Nutzen für die Gesellschaft, wenn jetzt 2 Millionen Leute ihren Unterhaltungskanal verlieren und dafür ein paar Künstler ihr Ego damit streicheln, dass sie anderen die Benutzung ihrer Werke verbieten können? (absichtlich hart formuliert)
Als weniger provokanten Hintergrund hierzu: „Geistiges Eigentum“ – Sinn des Urheberrechtes und staatlich garantierter Monopolrechte [2].
Die Bezeichnung der Kosten als „Strafmaß“ halte ich für falsch. Das Urheberrecht hat den Zweck, die Schaffung Kultureller Werke zu fördern - und zwar nicht nur der Hobbymäßigen. Jemanden für die Schaffung neuer Werke zu bestrafen steht damit im Widerspruch. Das aktuelle Urheberrecht versagt leider in der digitalen Welt vollständig.
Zu Werken, die für sich alleine stehend nicht gut zu vermarkten sind: Solche Werke können aus zwei (in sich logischen) Gründen veröffentlicht werden: Entweder, weil jemand dafür bezahlt hat (z.B. damit sie Teil eines vermaktbaren Gesamtwerkes werden), oder als Werbung, um Mitstreiter zu finden, oder Leute, die für zukünftige Werke bezahlen wollen. Und die Bezahlung nur mit Bekanntheit und Reichweite sehe ich nicht: Ich zahle für Werke und viele andere tun das auch. Wenn Verlage das nicht tun, dann zeigt das, dass das aktuelle Urheberrecht für diese Verlage eine falsche Lenkungswirkung hat.
Die Kommerzialisierung halte ich nicht für ein Problem an sich. Vielmehr sollten alle, die für sich etwas gefunden haben, das sie mit Herzblut tun, versuchen, ihren Traum in Vollzeit zu realisieren. Und dafür müssen sie kommerziell sein.¹ Frage: Warum wird denn auf den letsplay keine Werbung für das Originalprodukt geschaltet - durch das der letsplay-Spieler dann Geld von den Herstellern des Originalproduktes erhält?
Abgesehen davon halte ich selbst nichts davon, mit Werbung Geld zu verdienen: Werbung ist die Lenkung der Aufmerksamkeit durch diejenigen, die viel frei verfügbares Geld haben - und damit toxisch in einer Gesellschaft, in der das Einkommen extrem ungleich verteilt ist: Sie erlaubt die direkte Beeinflussung der Gesellschaft durch diejenigen, die viel Geld haben. Hintergrund dazu: „Zu große Vermögensungleichheit zerstört jede Demokratie“ [3] — Werbung ist einer der Mechanismen, die das bewirken, und wer denkt, nicht davon beeinflusst zu werden, sollte sich mal mit Werbeleuten über deren Erfolgsstatistiken unterhalten.
Durch einen Klick zahlen zu können, wäre dagegen toll - nicht nur für Lizenzgebühren. Stattdessen könnte doch im Urheberrecht stehen, dass bei einem Werk eine Bezahlmöglichkeit für alle verwendeten Werke geboten werden muss. Ich bin sicher, dass damit die Urheber der verwendeten Werke fair an wirklichen Gewinnen beteiligt würden (denn die meisten Menschen wollen fair sein).
¹: Als Hintergrund zu Kommerzialisierung: „Der will ja nur Geld machen“ [4]
PS: Ich sehe die Ironie dahinter, diesen Text auf dem werbefinanzierten G+ zu schreiben. Ihr seid aber herzlich eingeladen, die Diskussion stattdessen auf sn.1w6.org [5] zu führen: Meinem selbstfinanzierten, frei lizensierten GNU Social Knoten.
Das hier ist mal ein Zitat: “Was Ihr braucht ist eine den Namen verdienende, starke Gewerkschaft, kein Monster aus Verwertungsgesellschaften, die dann Youtube langjährig verklagen, weil sie kostenlos Werbung für Euch machen und Euch damit zukünftige Aufträge verschaffen.” [6]
Oder das hier: Sir Arthur Conan Doyle schrieb dazu: »Wenn jeder Autor, der ein Honorar für eine Geschichte erhält, die ihre Entstehung Poe verdankt, den Zehnten für ein Monument des Meisters abgeben müßte, dann ergäbe das eine Pyramide so hoch wie die von Cheops.«
Bei dem ersten: Du meinst, bisher würden viele Geld verdienen? Nach meinem aktuellen Wissensstand verdienen mindestens 2/3 der Bands mit ihrer Musik (netto) kein Geld. Dagegen verdient aber Netzpolitik inzwischen Geld über Flattr.
Was nicht heißen soll, dass Werbung ein Garant fürs Geldverdienen ist. Hast du mal versucht, einen Urheber direkt zu bezahlen? Ist in deinen Rollenspiel-PDFs ein Flattr-Link?
Andererseits zeigen aber viele sehr erfolgreiche Kickstarter-Kampagnen, dass Bekanntheit eben doch Erfolg und Geld bringt. Dafür braucht es aber die richtigen Strukturen, und da sind wir mit Kickstarter (und startnext) erst ganz am Anfang.
Und es braucht den Willen der Urheber, Geld mit ihren Werken zu verdienen (da bin ich selbst bisher ein Negativbeispiel: Ich habe weniger Zeit als Geld…). Ich habe dir das zwar vermutlich schon geschickt, aber es kann nicht schaden, es nochmal zu schreiben: „Der will ja nur Geld machen“ [4]
Die Torwächter haben ihre absolute Macht verloren, aber sie leben immernoch in den Köpfen fort.
Weißt du, wann Deutschland als das Land der Dichter und Denker bekannt wurde? Als wir hier kaum Urheberrecht hatten - und die Kulturproduktion blühte (bis das Urheberrecht angezogen wurde) [7]
Und was die Werbung angeht (habe jetzt das Video geguckt): Sobald du an dem Punkt bist, dass Leute sich wünschen, dass du ihnen etwas erschaffst, bist du schon weit. Auf so eine Mail wäre meine Antwort: „Ich nehme 20€ die Stunde. Wenn sie das zahlen, bin ich dabei“.
Für einige von Battle for Wesnoth klappt das inzwischen (die zeichnen inzwischen oft auf Kommission - also bezahlt).
Übrigens ist das Video in dem Punkt auch klar und richtig: Es spricht nur von neu zu schaffenden Werken - hat also mit dem Urheberrecht nichts zu tun.
Das Urheberrecht regelt nur, wie du diejenigen einschränken darfst, die dein Werk erhalten haben: „Ich male das Bild für dich, du darfst es dann aber niemandem zeigen“ oder „ich schreibe die Geschichte für dich, aber online stellen darfst du sie nicht“ oder „ich schreibe dir das Programm, aber jedesmal, wenn du es verwendest, musst du mir 10 Cent geben“.
„Ich male dir das Bild für 100€“ braucht kein Urheberrecht - nichtmal ein minimales. Um aber überhaupt die Aufträge zu bekommen, muss es ein Urheberrecht geben, das sicherstellt, dass niemand behaupten darf, dein Werk wäre von ihm (besser noch: Mit dem er sagen muss, von wem das Bild ist).
Ich kann Einzelfälle zur Motivation nennen und Studien zur Untermauerung. Mehr Möglichkeiten habe ich nicht. All das, was ich schreibe, kann dich nur zum Nachdenken anregen, aber ich kann dein Denken nicht ändern - das kannst nur du.
Das ist, was die Studie zu Deutschland um 1800 für Bücher widerlegt hat - und was auch in neueren Studien zu Musik immer wieder widerlegt wurde.
Wie gesagt: Ich mag Einzelfälle nennen, aber ich stütze mich auf die Ergebnisse von breiten Studien.
Nur weil Leute Werke gratis bekommen können, geben sie nicht weniger Geld für Kultur aus. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Referenz von 2007: Studie: Auswirkungen von Tauschbörsen auf Musikverkäufe nicht von Null unterscheidbar [9]
Noch deutlichere Referenz von 2012: Tauschbörsennutzer geben fast 50% mehr Geld für Musik aus [10]
(ich nenne die beiden Studien, weil ich über die geschrieben habe und sie daher leicht finde)
Links:
[1] https://plus.google.com/u/0/101326372391963912461/posts/MdNDUJ9hsSF
[2] http://draketo.de/licht/politik/geistiges-eigentum-sinn-des-urheberrechtes-und-staatlich-garantierter-monopolrechte
[3] http://draketo.de/licht/politik/zu-grosse-vermoegensungleichheit-zerstoert-jede-demokratie
[4] http://1w6.org/deutsch/anhang/gedanken/der-will-ja-nur-geld-machen
[5] http://sn.1w6.org
[6] http://ccc.de/updates/2012/drehbuchautoren
[7] https://netzpolitik.org/2010/land-der-dichter-und-denker-nur-mangels-urheberrecht/
[8] http://www.fifoost.org/wordpress/?p=1640
[9] http://draketo.de/deutsch/p2p/licht/studie-p2p-auswirkungen-von-tauschboersen-nicht-von-null-unterscheidbar
[10] http://draketo.de/licht/p2p/gewinnbeteiligung-entschuldigung